Zentrum für Graduiertenstudien

27. Internationale Jahrestagung des Berliner Instituts für kritische Theorie

Name der Konferenz: 27. Internationale Jahrestagung des Berliner Instituts für kritische Theorie

Name des Vortrags: „Das Schisma des Westens im Umbruch der Weltordnung - Fragen über Fragen“

Ort und Datum der Konferenz: Berlin vom 29.05. bis 01.06.2025.

Vortragende*r: Nikita Zagvozdkin

Das Berliner Institut für kritische Theorie gilt als eine der führenden Einrichtungen in Deutschland für Philosophie und Gesellschaftswissenschaften mit einem explizit sozialkritischen Auftrag in der Tradition des marxistischen Denkens und führt darüber hinaus jede Menge Forschungsaktivitäten im Rahmen der Marx-Forschung durch, wie z.B. die Herausgabe des Historisch-Kritischen Wörterbuches des Marxismus (HKWM). Für jemanden wie mich, der seine Promotionsarbeit eben zu Marx, seinem Revolutionsbegriff und den Rahmenbedingungen der emanzipativen Gesellschaftstheorie heute schreibt, war deswegen die Jahrestagung des Instituts eine großartige Gelegenheit, um ins Gespräch mit den leitenden Marxismus-Forscher*innen aus Deutschland und weltweit zu kommen und in der Diskussion mehrere Argumente und Denkfiguren, die auch für die Dissertation von Belang sind, auf die Probe zu stellen.

Insbesondere war die Produktivität des Austausches bedingt durch die spezifische Veranstaltungsform. Die eine Hälfte der Tagung war klassischerweise aufgeteilt in die Plenarvorträge, die sich um das Dachthema „Das Schisma des Westens: im Umbruch der Weltordnung“ gruppierten und so eine Verknüpfung der theoretischen Fragen an die aktuelle gesellschaftliche Lage erlaubten. Hier wurde vor allem diskutiert, wie verschiedene Krisen – die Umweltzerstörung, die Verschärfung der sozialen Widersprüche und der Ungleichheit, die Infragestellung der demokratischen Grundwerte unter Voraussetzung der neuen technischen Praktiken (der sog. „Technoautoritarismus“), die globale Instabilität – sich zu einer Polikrise verbinden und welche theoretischen und praktischen Auswege dem entgegenzuhalten sind. Die Diskussion war hierbei interdisziplinär gestaltet und umfasste Ansätze nicht nur aus Philosophie, sondern auch aus den Gesellschafts- und Kulturwissenschaften, was einen komplexeren Einblick in die Natur der sozialen Probleme und der möglichen Lösungen gewährte.

Die andere Hälfte der Tagung war hingegen organisiert als eine Reihe von Werkstätten zu den in Vorbereitung befindlichen Beiträgen für das HKWM. Es handelte sich um ein Arbeitsformat, wo neben dem oder der Verfasser*in alle Anwesenden sich an der kritischen Besprechung der Texte beteiligten und ausführliche Verbesserungsvorschläge machen durften. Besprochen wurden u.a. die Beiträge zu den Stichwörtern „Objektivität“, „Prekariat“, „Neofordismus“ und „Planmäßigkeit“. Eine derartige Arbeitsweise war ihrerseits eine direkte Umsetzung des vom Institut vertretenen Konzepts des pluralistischen Marxismus. In dieser Hinsicht konnte man sich – sozusagen methodologisch – in der Praxis ein Bild davon machen, unter welchen Bedingungen eine philosophische Tradition wie der Marxismus heute am produktivsten zur Entfaltung kommen kann. Auch diese Einsicht war für mich in Bezug auf meine eigene philosophische Arbeit im Rahmen der Promotion relevant.

Schließlich wurde bei der Tagung die neue Redaktion des Journals „Das Argument – Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaften“ vorgestellt, das dem Institut untersteht und mit dem demnächst erscheinenden Heft 343 jahrzehntelang einen prominenten Diskussionsraum für die marxistisch inspirierten Forschungsansätze darstellt. Im Anschluss an diese Vorstellung wurde die Strategie der Zeitschrift diskutiert und man konnte so sehen, wie der wissenschaftliche Betrieb in concreto organisiert ist und mit welchen Fragen und Schwierigkeiten man bei der Herausgabe einer wissenschaftlichen und gesellschaftskritischen Zeitschrift in der gegenwärtigen akademischen Konstellation  konfrontiert wird.

Resümierend kann ich mit großer Freude feststellen, dass die Tagung für mich zu einer sehr produktiven und einleuchtenden Erfahrung gewesen ist und deren Ergebnisse auf eine durch und durch positive Weise in den Schreibprozess meiner Doktorarbeit einfließen werden. Ich bedanke mich ganz herzlich beim Zentrum für Graduiertenstudien der Bergischen Universität Wuppertal für die finanzielle Unterstützung bei dieser Konferenzreise.